Mein Bruder und sein Freund haben vor ca. zwei Jahren einen Angsthund aus dem Tierschutz adoptiert. In dem Interview mit meinem Bruder geht es um die tolle Entwicklung von Ewan:
Wie und wann ist Ewan zu euch gekommen?
Ewan ist über eine Tierschutzorganisation aus Deutschland zu uns gekommen. Die hat ihren Sitz in Tecklenburg und hat da einen Hof, wo sie verschiedene Hunde aus verschiedenen Ländern aufnehmen und dann vermitteln.
Das war jetzt fast genau vor zwei Jahren.
Und wie war die erste Zeit, als Ewan zu euch gekommen ist?
Das war auf jeden Fall nicht so leicht, weil er sehr scheu und ängstlich war. Er ist am Anfang auch viel vor uns zurückgewichen, wenn man auf ihn zugegangen ist. Er wollte auch erst gar nicht in die Wohnung. Da musste ich ihn dann reintragen, weil er die Treppe nicht hochgehen wollte. Also er hatte einfach vor vielen Sachen Angst, weil er sie, glaube ich, einfach nicht kannte.
Und mit Lottie, eurem Ersthund, hat Ewan sich gut verstanden?
Ja, da waren wir aber auch sehr überrascht drüber, weil Lottie ja eigentlich keine anderen Hunde mag (lacht). Bevor wir uns entschieden haben Ewan zu adoptieren, sind wir mit Lottie mehrmals zu der Tierschutzorganisation hingefahren und haben geschaut, wie die beiden sich verstehen. So konnten wir Ewan auch besser kennenlernen und sind mit den beiden zusammen Gassi gegangen. Lottie war eigentlich auch vom ersten Tag an sehr ruhig. Und Ewan auch, bzw. hat er sie eigentlich ziemlich in Ruhe gelassen. Das war glaube ich auch gut so.
Hat er sich denn dann viel an Lottie orientiert?
Ja, vor allem im Haus hat er sich schon ziemlich an ihr orientiert. Er hat dann immer geschaut, was macht sie und hat sich dann ähnlich verhalten. Als wir nach Hause gekommen sind, ist Lottie direkt auf ihren Platz aufs Sofa gehüpft und hat sich dort hingelegt. Und Ewan wusste halt nicht so genau, wohin mit sich und hat dann geschaut, was Lottie macht und sich dann eben auch aufs Sofa gelegt.
Also war das praktisch, dass ihr schon einen souveränen Ersthund hattet?
Ja, für Ewan war das einfach eine große Hilfe, weil er sich dann immer an ihr orientieren konnte, wenn es auch z.B. um alltägliche Abläufe ging. Dadurch, dass wir Ewan früher bekommen haben, als es eigentlich geplant war, musste er dann auch vom ersten Tag an alleine zu Hause bleibe, weil wir auf der Arbeit waren. Und da hatten wir schon Sorge, dass es ein Problem werden könnte. Aber weil Lottie diese Situation gewohnt ist und es für sie normal ist, hat es ihm dann auch das Gefühl gegeben „Okay es ist alles in Ordnung. Da passiert jetzt nichts Schlimmes, wenn die beiden nicht da sind“.
Und in was für Situationen hatte Ewan Angst? Auch draußen oder eher drinnen?
Draußen war er eigentlich von Anfang an ziemlich entspannt. Also es war eigentlich immer eher in Verbindung mit Menschen. Menschen haben ihn halt einfach Angst gemacht, fremde Menschen, aber auch wir am Anfang. Auch als wir ihn bei der Tierschutzorganisation besucht haben ist er nie von sich aus zu uns gekommen oder hat sich gefreut uns zu sehen. Weil er einfach Menschen nicht gewohnt war. Und da wollte er sich dann oft auch einfach gar nicht anfassen lassen. Das Geschirr anlegen war auch anfangs nicht unbedingt leicht. Aber draußen war er trotzdem meistens ganz entspannt.
Dann hatte er wahrscheinlich einfach noch nicht so viele gute Erfahrungen mit uns Menschen gesammelt. Weiß man denn, wie er in Spanien gelebt hat bevor er nach Deutschland kam?
Ja genau. Er hat auch einfach allgemein noch gar nicht so viele Erfahrungen machen dürfen. Wir wissen jetzt auch nicht so viel über seine Vorgeschichte. Aber was wir wissen ist, dass er in Spanien, bevor er nach Deutschland gekommen ist, auch schon über ein Jahr in einem Tierheim gelebt hat. Wo er dann ja leider auch nicht unbedingt viel Kontakt zu Menschen hatte. Und was davor war, als er noch jung war, wissen wir leider nicht so genau.
Aber er hat ja diese Narben am Hals, die darauf hindeuten, dass er eine ganze Zeit an der Kette gelebt hat, oder?
Ja genau, also er hat diese riesige Narbe am Hals, die darauf hindeutet, dass er an der Kette gelebt hat, aber die Tierschutzorganisation konnte uns da auch nichts genaueres sagen.
Mittlerweile hat sich Ewan ja richtig toll entwickelt und ist auch viel offener geworden, oder?
Ja, das stimmt. Auch wenn wir jetzt draußen unterwegs sind und wir fremde Menschen begrüßen, dann denkt Ewan auch „Ah okay, das ist dann auch mein Freund“ und begrüßt denjenigen dann auch. Er hat da jetzt einfach jegliche Scheu abgelegt, weil er ja jetzt auch einfach nur positive Erfahrungen mit Menschen gemacht hat. Er hat einfach gemerkt, dass er jetzt nichts mehr zu befürchten hat.
Richtig schön! Habt ihr damals bestimmte Methoden angewendet, die den Prozess beschleunigt haben?
Also ich würde jetzt nicht sagen, dass wir irgendwelche bestimmten Methoden angewendet haben. Wir haben ihm halt einfach ganz viel Zeit gegeben und ihn nicht zu irgendwelchen Sachen gedrängt. Wenn er sich zurückgezogen hat, dann haben wir ihn auch in Ruhe gelassen. Und sind dann nicht noch hingegangen und haben ihn gestreichelt oder so.
Das war glaub ich auch einfach das wichtigste, dass wir einfach Geduld hatten und ihm die Zeit gegeben haben, sich so zu entfalten, in seinem Tempo, wie er eben konnte.
Um einen Angsthund die Angst zu nehmen, bedarf es Zeit und Geduld! Ihn zu etwas drängen, bringt gar nichts!
Sind denn noch weitere Hunde in Planung?
(lacht) Wenn mein Freund und ich mehr Zeit hätten, hätten wir sicherlich noch weitere Hunde. Es ist halt nur schwierig, dadurch dass wir beide Vollzeit arbeiten, so vielen Tieren dann auch gerecht zu werden. Also ich glaube in unserer aktuellen Lebenssituation sind zwei Hunde einfach ideal. Auch wenn man mit beiden Hunden alleine Gassi geht, ist es mit zwei Hunden ja schon nicht immer einfach, gerade mit Lottie, die ja nun keine anderen Hunde mag. Deswegen stell ich es mir einfach ein bisschen schwierig vor, noch einen dritten Hund mitzuführen… Und es brauch ja auch einfach jeder Hund immer ein bisschen Aufmerksamkeit für sich selber. Das dann zu leisten, wenn man arbeiten geht und noch in der Ausbildung ist, ist dann einfach schwierig.
Nun ist Lottie halt auch schon sehr alt und wird wahrscheinlich nicht mehr so viele Jahre bei uns sein, da kommt dann auf jeden Fall wieder ein Hund mit zu. Also zwei Hunde werden es immer bleiben. Aber ob da irgendwann nochmal drei draus werden…wahrscheinlich erstmal nicht.
Und würdet ihr dann wieder einen Hund aus dem Tierschutz nehmen wollen?
Ja auf jeden Fall! Das ist absolut sicher. Lottie ist ja auch kein Zuchthund, die haben wir ja quasi auch „gebraucht“ bekommen. Eine Bekannte wollte sie damals abgeben und hat uns dann gefragt, ob wir sie nehmen wollen. Ansonsten hätte sie sie halt ins Tierheim gebracht. Und so ist Lottie dann bei uns gelandet.
Ich habe einfach das Gefühl, dass Tierschutzhunde wesentlich dringender jemanden brauchen, der für sie da ist und einfach ein Zuhause brauchen. Zugeben, anfangs hatten wir schon ein paar Bedenken, weil man ja auch immer wieder viel Schlechtes über Tierschutzhunde hört, aber wir haben einfach an keiner Stelle irgendwie bereut, uns für einen Tierschutzhund entschieden zu haben. Und würden es auch immer wieder so machen!
—- Interview Ende —-
Ich selber habe auch schon einmal einen Angsthund als Pflegehund aufgenommen. Für seinen Happy-End-Bericht schau doch einfach mal in diesem Artikel vorbei.